Das Hohe Lied der Hoffnung - Predigt von Regionalbischof Klaus Stiegler zum Donaugebet am 28. Juni 2020

Gnade sei mit euch und Friede von dem, der da war, der da ist und der da kommt.
Liebe Schwestern und Brüder im Glauben!
An diesem wunderschönen Fleckchen Erde, die fließende Donau vor Augen, inmitten von blühenden Bäumen und Vogelgezwitscher in den Ohren, so feiern wir diese Andacht.
Und zunächst möchte ich meinen Dank und meinen Respekt kundtun für all die Menschen, die seit 26 Jahren hier in bester ökumenischer Verbundenheit gemeinsam für ihren Glauben einstehen und sich für die Schöpfung, die uns anvertraute Schöpfung, miteinander sorgen und engagieren und notfalls auch dafür kämpfen.


Lassen Sie uns unsere Gedanken nun sammeln um einen Satz aus dem Römerbrief. Dort heißt es im 8. Kapitel: „Wir wissen aber, dass denen, die Gott lieben, alle Dinge zum Besten dienen.“
Ein kühner, ein steiler Glaubenssatz des Apostels Paulus. „Wir wissen aber, dass denen, die Gott lieben, alle Dinge zum Besten dienen.“
Alles was geschieht in unserem Leben, alles was geschieht in dieser Welt soll uns zum Besten dienen? Können wir damit einstimmen, wenn wir auf unsere Lebensgeschichte zurückschauen oder hinausschauen in die weite Welt, können wir so von unserem Gott, von unserem Leben und unserem Glauben reden?
Wenn dem so wäre, dann müssten wir sagen, dass auch die Corona-Pandemie, die die ganze Welt in Atem hält, zum Besten gehört, was uns hätte geschehen können.

Würde dieser Satz so zu verstehen sein, dann liegt die Verharmlosung dessen was geschieht ganz nah. Dann wäre es ein Satz, der uns ergeben in schicksalhafte Ereignisse unser Leben führen ließe.  Dass auch schwerste Lebenserfahrungen verharmlost würden. Ja das Leiden, das Menschen plagt, geschönt wird, so als ob es darin doch noch etwas zu lernen gäbe. Zynismus und stoische Ergebenheit in alles was geschieht, ist das die Spur, in die hinein uns unser Apostel Paulus führen möchte?
Nein, sicher nicht. „Wir aber wissen, dass denen, die Gott lieben, alle Dinge zum Besten dienen, die nach seinem Ratschluss berufen sind.“

Paulus schreibt und redet so nachdem er im ganzen ersten Teil seines Römerbriefes ausgelotet hat, wie es um uns Menschen eigentlich vor Gott steht. Mit allem Glanz, mit allem Elend unseres Lebens.
Vom Kreuz her schaut er auf unser Leben und so ist es wunderbar, dass wir auch hier unter dem Kreuz diese Andacht halten. Das Kreuz, dass uns wie ein Vorzeichen auf das Leben hineinschauen lässt.
Und da wird Paulus sehr ehrlich und auch sehr persönlich. Er beschreibt in seinem Römerbrief die ganze menschliche Schwachheit, die wir auch kennen. Er verheimlicht nicht wie zerbrechlich und fragil unser menschliches Leben ist und wie begrenzt unsere menschlichen Kräfte auch sind.
Das wir unseren Platz haben inmitten der ganzen Schöpfung, die stöhnt und sich ängstigt. So weit, dass es Erfahrungen im Leben gibt, wo uns die Worte fehlen. Und wo uns manchmal sogar die Worte zum Beten fehlen.
In diese Schau auf unser Leben, auf unser Mensch sein, inmitten von Gottes Schöpfung stimmt Paulus dann doch dieses Hohe Lied der Hoffnung an. Und so bekommt dieses Bibelwort eine andere Klangfarbe als Zynismus oder einfach stoische Ergebenheit.

Ja wie erleben es wie vor ein paar Monaten in China über ein paar Wildtiere Menschen erkrankt sind. Und wie in diesen Tagen in Europa das gesellschaftliche Leben stillsteht und die Wirtschaft bangt um die Zukunft.
Wir erleben wie diese Welt verbunden ist. Vielleicht stellt sich ja auch gerade so die Frage wie das alles zur Güte von Gottes Schöpfung gehört. Wir dürfen die Corona-Krise nicht religiös aufladen so als ob die Schöpfung jetzt gegen uns Menschen zurückschlägt.
Auch dieses schreckliche Virus ist Teil der Schöpfung. Dieses Virus gehört zu Gottes Schöpfung so wie die Lilien auf dem Feld und die Vögel auf den Bäumen. Gottes Schöpfung ist gut, so heißt es von Anfang an. Aber sie ist nicht abgeschlossen und sie ist nicht perfekt.
Auch in Gottes Schöpfung ist das Potential zum Chaos. Das Tohuwabohu am Anfang, dem nur der Geist Gottes ordnend begegnen kann, die Sintflut-Geschichte oder auch die Plagen, biblische Erinnerung an das chaotische Potential, das auch in der Schöpfung Gottes schlummert.
Und gerade deshalb und so haben wir Menschen den Auftrag diese Erde zu bebauen und zu bewahren. Immer wieder gilt es, das Chaos zu bändigen und zu ordnen. Und da haben wir Menschen inmitten aller anderen Geschöpfe unseren Platz und unsere Aufgabe.
Dazu hat Gott uns Verstand gegeben, Vernunft und uns in die Verantwortung genommen. „Wir wissen, dass denen, die Gott lieben, alle Dinge zum Besten dienen, die nach seinem Ratschluss berufen sind.“ Und dazu sind wir Menschen berufen. Sensibilität für dieses Leben zu leben.

Für den Ausgleich von Ökologie und Ökonomie und sozialem Frieden zu sorgen, sich einzusetzen und zu leben. Die Donau mit ihren 2900 Kilometern, sie fließt durch 10 Länder. Ein kleines Beispiel wie wir verknüpft und verbunden sind in unserem Leben auf Gottes Erdboden. Nationalistische, sich zurückziehende Haltungen, die nur auf das Eigene bedacht sind, führen nicht in die gemeinsame Zukunft.

Das Hohe Lied der Hoffnung, das Paulus anstimmt, gründet darin, dass wir in unserem Leben gehalten sind in der Liebe Gottes. Dass uns von dieser Liebe nichts und niemand trennen kann. Weder Gegenwärtiges, weder Vergangenes noch Zukünftiges. Und darum haben wir Schaffenskraft und darum übernehmen wir Verantwortung und zeugen mit unserem Leben als Christen für die Liebe Gottes zu seiner Schöpfung. Und dann ja, dann geraten uns alle Dinge zum Besten, gehalten von diesem Gott, der immer wieder Zukunft eröffnet und immer wieder Kraft schenkt das Chaos zu bändigen.
Amen.